Mindset ist eines dieser Wörter, die einem derzeit im Selbstschutz dauernd begegnen. Es wird ständig darauf verwiesen, dass es des "richtigen Mindsets" bedarf um aggressive oder gewalttätige Situationen zu handhaben.
Der Begriff kommt aus dem Englischen und meint die Summe der Werte und Einstellungen, die das Fühlen, Denken und Handeln einer Person prägen.
Mindset beschreibt also die tiefliegenden Elemente einer Persönlichkeit, die zum Beispiel dazu führen, ob jemand das Glas als halbvoll oder halbleer betrachtet und mit welcher Entschlossenheit jemand die Dinge und Situationen des Lebens angeht.
Unterschieden vom Mindset werden die Skills. Skills sind die Fertigkeiten, die jemand hat. Fertigkeiten kann man lernen. Wie leicht oder schwer es einem fällt, sich ein bestimmtes Maß an Fertigkeiten anzueignen, hängt nicht nur vom Talent ab, sondern ganz erheblich auch von den persönlichen Einstellungen und Werten.
Das indivuelle Mindset besteht aus all dem, was ein Mensch bereits bei der Geburt mitbringt und all dem, was er seither erlebt, gefühlt, gelernt, gedacht hat. All das hat Spuren im Körper und im Gehirn hinterlassen den Menschen geprägt.
Das Mindset ist dafür verantwortlich, ob ein Mensch die Chancen zuerst sieht oder die möglichen Risiken, ob ein Mensch freudig auf Neues zugeht oder erstmal zurückhaltend beobachtet, ob ein Mensch offen neue Herausforderungen angeht oder ein großes Sicherheits- und Schutzbedürfnis hat. Es vermittelt, ob man selbst in größter Not nie den Glauben an sich selbst verliert oder ob man selbst in guten Zeiten des Lebens Zweifel an der eigenen Person aufbringen wird.
All das ist Bestandteil der persönlichen Einstellungen und Werte, des Mindsets. Die Forschung unterscheidet dabei teilweise ein starres, ein dynamisches und ein resilientes Mindset.
Starres, dynamisches und resilientes Mindset
Manche glauben, sehr viel der individuellen Persönlichkeit sei angeboren. Sie wird als unveränderlich wahrgenommen. Forscher nennen das ein starres Mindset, Englisch „fixed mindset“. Wer eine solche Persönlichkeit hat, wird sich sehr schwer tun, daran etwas zu ändern. Ein solcher Mensch müsste zunächst mal seine eigene "fixierte" Grundeinstellung aufweichen, also daran glauben, dass er oder sie am eigenen „Charakter“ überhaupt etwas ändern kann.
Andere Menschen wiederum können sofort und immer Bäume ausreißen und Berge versetzen, wenn sie es nur wollen und sich entsprechend reinhängen. Ein solches Mindset heißt dynamisch oder im Englischen „growth mindset“. Klar fällt es Leuten mit dynamischem Mindset leichter, etwas Grundlegendes zu ändern und neue Fertigkeiten zu erlernen, sich mit neuen möglichen Situationen zu befassen.
Veränderungsfreudige Menschen können aber voll lauter Enthusiasmus den eigenen Überblick verlieren und den Wald vor lauter Bäumen nicht finden. Wichtig ist auch hier eine gesunde Mischung und ein achtsamer Umgang mit der eigenen Person.
Ein Mensch mit einem resilienten Mindset passt sich nicht blind und unbeschränkt an, sondern nur dort, wo es erforderlich ist. Diese Persönlichkeit ist sich bewusst, was sie als gegeben akzeptieren muss und was sie gestalten kann. Diesen ihren Handlungsrahmen nutzt sie und übernimmt Verantwortung für die eigenen Entscheidungen. Diese Person schenkt sich selbst Aufmerksamkeit, hinterfragt und nimmt Rücksicht auf die eigenen Grenzen, Talente und Werte. Sie glaubt an sich, weiß, was sie kann und was ihr nicht liegt.
Combatives - 90% Mindset und 10% Skills
Eine Aussage, die einem immer wieder begegnet und von vielen so auch vertreten wird. Erstmalig ist mir diese 90-10 Aussage in Bezug auf erfolgreichen und aggressiven Wertpapierhandel begegnet und wird auch so innerhalb vieler Publikationen und Weiterbildungen vertreten.
Doch innerhalb des Selbstschutzes oder Nahkampfes sollte man diese Aussage nicht pauschal akzeptieren, sondern gänzlich hinterfragen.
Sofern man für den persönlichen Selbstschutz trainiert, mag man sich vielleicht schnell auf diese Aussage verlassen und davon ausgehen, dass 10% von möglichen 100% Fertigkeiten ausreichend sind. Und manches mal sicherlich auch eine willkommene Ausrede für mangelnde Kompetenzen.
Gerade dann, wenn man vielleicht niemals in die Situation kommen wird, in der man die zu erlangenden möglichen 100% Fertigkeiten abrufen wird.
Oder etwas salopp gesagt, niemand von uns würde mit einer anderen Person in die Schlacht ziehen, die zwar eine gute Einstellung zur Sache vertritt, aber gottverdammt nochmal nicht schießen kann.
Wer möchte sich gern von einem Arzt operieren lassen, der der Ansicht ist, dass er auf 90% der chirugischen Fertigkeiten während der Operation verzichten kann?
Wer würde auf einen Boxer wetten, der nicht zu 100% austrainiert ist? Niemand! Warum möchte man denn selbst dieser "Boxer" sein, wenn es um den eigenen Selbstschutz geht?
Wie schon zuvor geschrieben, eine Person mit einem gesunden Mindset schenkt sich selbst Aufmerksamkeit, hinterfragt und nimmt Rücksicht auf die eigenen Grenzen, Talente und Werte. Sie glaubt an sich, weiß, was sie kann und was ihr nicht liegt.
Und gerade letzteres ist unabdingbar - die eigenen Kompetenzen zu kennen... aber auch zu wissen, in welchen Bereichen die eigenen Schwächen liegen.
"Being prepared for any life-or-death situation that you may or may not become involved in, willingly or unwillingly, from now until your last days."
(Kyle Lamb)
Kennt man seine eigenen Kompetenzen, aber auch Inkompetenzen und nimmt einfach mal das vorstehende Zitat von Kyle Lamb, so dürfte man schnell zu dem Schluss kommen, dass die Mischung aus 90% zu 10% vielleicht ein nicht optimaler Denkansatz ist.
Selbstschutz oder jede andere interdisziplinäre Disziplin sollte nicht anteilig in Teilbereiche aufgeteilt werden. Jede einzelne Disziplin sollte eigenständig betrachtet werden und hier gilt es sich bestmöglich innerhalb der eigenen Möglichkeiten zu steigern.
Letztendlich möchte jeder mit einer anderen Person in die Schlacht ziehen, die alle Hausaufgaben zuvor bestmöglich gemacht hat. Die den Willen besitzt, alles menschenmögliche zu realisieren, um eine Situation zu handhaben, aber in diesem Fall auch "schießen" kann.
Und genau darum geht es - schiebt Euch in allen Teilbereichen auf Eure bestmöglichen 100 Prozent. Es ist erstmal egal, wie viel eine andere Person an Gewichten heben kann oder wie hart ihr Schlag ist.
Eure 100 Prozent zählen und die wollt Ihr Erreichen.
Mindset - Physis füttert Psyche
Schaut Euch nochmal das obige Bild des britischen Soldaten an, der gerade ein kenianisches Hotel stürmt. Glaubt jemand, der hat die Entscheidung für sich getroffen, da er in diesem Moment den Willen hatte bei der damaligen Geiselnahme einzugreifen und hat dann auf seine 10% der erforderlichen Fertigkeiten gehofft? Ich kenne diesen Menschen nicht, aber ich denke schwer an das Gegenteil... ;)
Je qualitativ hochwertiger ´meine erlangten Fertigkeiten sind und je mehr ich um meine Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten kenne, desto eher treffe ich letztendlich auch mögliche Entscheidungen.
Nicht jede Situation bietet eine Entscheidungsalternative, aber es gibt nicht nur diese sogenannten harten oder schwierigen Entscheidungen. Habe ich Alternativen aufgrund meiner Fertigkeiten, schafft dieses Sicherheit und Möglichkeiten. Und eine Person mit einem gesunden Mindset hat somit oftmals einen Handlungsrahmen und kann verantwortungsvolle Entscheidungen treffen.
...wer nur einen Hammer hat... sieht überall nur Nägel... und so...
Zurück zum Selbstschutz... Ich kenne zu 100 % meine Kompetenzen und Fertigkeiten und ich habe zu 100% den Willen, das Mindset, alles zu ermöglichen, um eine aggressive oder gewalttätige Situation zu handhaben. Wie viel ich hiervon abrufen werde, diktiert mir immer die jeweilige Situation.
...mögliche Rechenfehler werden mal bewusst außer Acht gelassen. So kleinkariert und besserwisserisch möchte ja niemand sein.
Combatives - 100% Mindset und 100% Skills
Joe