Studien zeigen, dass die Taten von Gewalttäterinnen und Gewalttätern unter anderem zu 15 Prozent durch psychische Erkrankungen zu begründen sind. Ein Ansatz, der im Umgang mit Aggressivität und Gewalt nicht ausgeblendet werden darf.
Kontaktmanagement beinhaltet für viele Selbstschutzkonzepte die Themenfelder Kommunikation und Deeskalation zur Entschärfung einer aggressiven Situation. Hier muss grundlegend zwischen verschiedenen "Charakteren" unterschieden werden. Der "good guy on a bad day" darf hier zum Beispiel nicht mit verschieden geprägten und sozialisierten Straftäterinnen und Straftätern gleichgesetzt werden.
Wie bereits in anderen Blogartikeln erwähnt, bieten verschiedene "Charaktere" unterschiedliches Konfliktpotential und eine Deeskalation ist auf der "Straße" nicht zwingend gleichzusetzen mit den Deeskalationsmöglichkeiten innerhalb von therapeutischen Einrichtungen oder einer behördlichen Einrichtung, zum Beispiel einem Jobcenter. Daher können diese auch zu geringeren Erfolgsaussichten führen und die angenommenen Handlungskompetenzen der deeskalierenden Person durch fehlerhafte Trainingsansätze verfälschen.
Hinzu kommen nun die Ergebnisse der anfangs genannten Studien. Fazal und Danesh (2002) haben in einer Metaanalyse in 62 Untersuchungen an inhaftierten Strafgefangenen aus 12 Ländern festgestellt, dass etwa 15 % der Probanden an sogenannten kernpsychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie und schwerer Depression litten und Persönlichkeitsstörungen bei 65 % der Probanden diagnostiziert werden konnten.
Erhebliche Prävalenzraten – teilweise doppelt so hoch wie bei psychiatrischen Patienten – zeigten sich hinsichtlich Betäubungsmittelmissbrauch und -abhängigkeit. Eine sogenannte Psychopathie, die Unfähigkeit zur Anpassung an soziale Normen und Werte mit entsprechenden Einstellungen und Verhaltensweisen, wiesen 20 % der untersuchten Strafgefangenen auf (Andersen et al. 2000). Auch mindestens 30 % der jugendlichen und heranwachsenden Straftäter zeigen in hohem Ausmaß vor allem Persönlichkeitsstörungen (Köhler, Hinrichs 2004).
Auffälligkeiten der Persönlichkeit sind somit eine weitere häufige Ursache von Gewalttaten. Wenn diese Auffälligkeiten innerhalb einer Persönlichkeit schwer genug sind, spricht man innerhalb der Wissenschaft von einer Persönlichkeitsstörung. Hierzu zählt unter anderem auch der Narzissmus, der mit einer verminderten Kritikfähigkeit und einem hohen Aggressivitätspotenzial einhergeht und somit eine mögliche Entschärfung einer aggressiven Situation erheblich erschweren kann.
Gewalttäterinnen und Gewalttäter kennzeichnet jedoch auch eine starke Skrupellosigkeit bei der Ausübung ihrer Taten, ein Merkmal der zuvor genannten Persönlichkeitsstörung der Psychopathie. Psychopathen fehlt die Fähigkeit zur Empathie und gleichzeitig sind sie häufig narzisstisch veranlagt.
Demnach ist signifikanter Anteil von Gewaltstraftaten durch psychische Erkrankungen zu begründen - von einfacher Körperverletzung bis hin zu schweren Straftaten.
Im Rahmen dieser Studio wurden bei den Täterinnen und Tätern mögliche zusätzliche psychische Traumata zur Begründung der Tathandlung nicht berücksichtigt.
Die Ergebnisse dieser Studien sollte man innerhalb des eigenen Selbstschutztrainings gerade in den Punkten Kommunikation und Deeskalation berücksichtigen, da die Wahrscheinlichkeit bestehen kann, dass die Straftat zum Nachteil der eigenen Person durch eine psychisch erkrankte Gewalttäterin oder einen Gewalttäter ausgeübt wird und aufgrund des vorliegenden Krankheitsbildes verschiedene Bestrebungen der Entschärfung einer Situation neben bereits anderweitig erwähnten Gründen zusätzlich nicht greifen beziehungsweise nicht zielführend sein können.
In unseren Ausbildungen zum Verständnis und zur Handhabung von Aggression und Gewalt bilden diese und weitere Erkenntnisse die Grundlage unseres Kontaktmanagements, sofern sich ein möglicher Berührungspunkt mit Gewalttäterinnen und Gewalttätern nicht im Vorfeld durch ein sogenanntes Gefahrenmanagement verhindern lassen.