"I would rather be judged by 12 than carried by 6."
Wir alle kennen innerhalb verschiedener Selbstschutzkonzepte diese Phrasen und hin und wieder schnappt man sogar auch Begrifflichkeiten der Dehumanisierung von Aggressoren und Gewalttätern auf. "He is just meat..." ist eine davon und diese ist mir über Jahre im Gedächtnis geblieben. Je mehr ich über solche Floskeln nachdenke, um so mehr muss ich heute auch meinen Kopf schütteln.
Combatives, Krav Maga oder andere Selbstschutzkonzepte haben einen gemeinsamen Nenner, wir möchten Menschen sicherer in ihrem Alltag machen.
Schaut man sich Trainierende an und reflektiert die gesehenen Leistungen auf der Matte objektiv, so wird ein Großteil der zu beobachtenden Personen einer körperlichen Konfrontation nicht mit harter Gewalt begegnen können. Allein der Übergang in gewalttätige Konfrontation, der von uns geprägte Begriff des Gewaltmanagement, ist aufgrund der statischen Trainingsweise und anderer Trainingsnarben kaum umsetzbar. Kleinste Veränderungen, verbale und nonverbale Aggression und situative Dynamik bringen so zum Beispiel manchen Cover-Crash-Counter schnell aufgrund einer falschen Trainingsweise zum stagnieren.
Generell fehlen oftmals einfach die physischen Voraussetzungen Gewalt auszuüben, aber auch die psychischen. Manch Trainerin oder Trainer kann noch soviel über die Bedeutung eines "Combat Mindest" philosophieren, aber die wenigsten haben jemals "Combat" erfahren, geschweige jemanden zu Boden gemindsettet.
Allein unter diesen Gesichtspunkten rückt ein gutes Gefahren- und Kontaktmanagement in den Vordergrund. Klar ist, ich kann mich nicht jeder Situation entziehen oder diese deeskalieren. Aber ich kann dennoch einige Möglichkeiten nutzen, die Situation zu entschärfen und somit möglicher Gewalt auch cleverer begegnen.
Aber was macht Gewalt eigentlich mit uns? Psychische Traumata!
Wenn es bei Gewalttaten, aber auch Unfällen, um die körperliche Unversehrtheit geht, ist eine starke emotionale Reaktion im Nachgang ganz normal.
Hält diese emotionale Reaktion aber länger als einen Monat an und ist mit bestimmten Symptomen verbunden, spricht man von einer "Posttraumatischen Belastungsstörung" (PTBS).
Oder kurz gesagt... Gewalt kann kurzfristig oder dauerhaft unser Leben verändern und uns psychisch erkranken lassen. Es sind nicht nur die Verletzungen des Körpers während einer gewalttätigen Konfrontation, sondern auch die mögliche Verletzung der Seele nach einer gewalttätigen Konfrontation - die sogenannten psychischen Traumata.
Ursache psychischer Traumata ist die Konfrontation mit dem tatsächlichen oder drohenden Tod, mit ernsthafter physischer, emotionaler oder seelischer Verletzung oder sexueller Gewalt.
So lautet die Definition des US-amerikanischen diagnostischen Leitfadens für psychische Erkrankungen (DSM-5).
Betroffene Personen müssen das traumatische Ereignis dabei nicht zwingend am eigenen Leib erfahren haben. Eine Traumatisierung kann auch auftreten, wenn man Zeuge von Gewalt wird oder nahestehende Menschen von einem schadenden Ereignis betroffen sind. Ein Trauma kann nach einer einzigen einschneidenden Erfahrung entstehen, in manchen Fällen aber auch erst, wenn ähnliche Situationen mehrfach erlebt werden – etwa bei sexueller Gewalt.
Die internationale Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die sogenannte ICD-10, definiert ein psychisches Trauma als "ein kurz oder langanhaltendes Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß, das nahezu bei fast jedem eine tiefgreifende Verzweiflung hervorrufen" würde.
Hält eine starke emotionale Reaktion, die nach einer schweren Gewalthandlung ganz normal sein kann, länger als einen Monat an und ist mit bestimmten Symptomen wie zum Beispiel Albträumen, Wiedererleben, Vermeidung oder einer Veränderung im Denken und Fühlen verbunden, leidet die betroffene Person höchstwahrscheinlich an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).
Für Frauen stehen Vergewaltigung und sexuelle Belästigung ganz oben auf der Liste der Ereignisse im Leben, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit traumatisch sind und zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung führen können.
Bei Männern sind es Gewalthandlungen, die die Ursache für traumatische Erkrankung sein können, oder wenn sie Zeugen von Gewalttaten werden. An dieser Stelle sollten wir einfach mal darüber nachdenken, was ein fehlerhaftes Gefahren- und Kontaktmanagement und einer damit verbundenen Eskalation mit unseren Mitmenschen machen kann. Vielleicht werde ich selbst in der Gewalthandlung nicht verletzt, aber was ist mit einem Kind, das Zeuge meiner gegebenenfalls unnötigen Handlungen wurde?
Es kommt generell darauf an, wie hilflos sich die betroffene Person in der jeweiligen Situation gefühlt hat und ob die Verletzung bewusst zugefügt wurde oder unbeabsichtigt, wie bei einem Unfall. Sicherlich werden wir im Laufe unseres Lebens eher von einem Unfall betroffen sein, als von einer schwerwiegenden Gewalt- oder Sexualstraftat. Sprechen wir aber von Gewalthandlungen gegen uns, so sind diese beabsichtigt und wir demnach auch gefährdet bezüglich einer möglichen psychischen Erkrankung.
Ich möchte an dieser Stelle aber nicht weiter auf traumatische Erkrankungen, deren Symptome und Therapie eingehen. Hierzu gibt es weitaus bessere Quellen. Vielmehr möchte ich einen Denkansatz in Bezug auf Gewalt schaffen.
Selbstschutz sollte man mit der Vorbeugung von Unfällen im Alltag gleichsetzen - es gilt diese zu verhindern. Analog zu einem Unfallgeschehen werden wir nicht zwingend jegliche bevorstehende Gewalthandlung vermeiden oder deeskalieren können. So realistisch müssen wir einfach sein und dieses bildet letztendlich auch die Grundlage für unser physisches Training.
Aber der Fokus auf ein solides Gefahren- und Kontaktmanagement darf nicht vernachlässigt werden. Ich möchte Aggression und Gewalt vermeiden und nicht durch ein schlecht konzipiertes Selbstverteidigungstraining in meinen Alltag bringen. Wer unsere Seminare und Ausbildungen regelmäßig besucht, weiß, dass Sarah und ich dieses immer wieder hervorheben.
Ich möchte nicht verletzt werden! Nicht körperlich und auch nicht seelisch!
Joe